Best Dressed Defenders
		Off Topic => Dies und das... => Thema gestartet von: Alina am 17. Mai 2006, 01:30
		
			
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				Grußwort des
 Oberbürgermeisters Dr. Ulrich Maly bei der Eröffnung der Landesausstellung 2006
 "200 Jahre Franken in Bayern" am 3. April
 
 
 Anrede, Willkommen, Begrüßungen
 
 " Diese kurze Begrüßung gehört zu
 den schwereren Aufgaben, weil ich mich an empfindlichen Stellen der fränkischen
 Seele entlang hangeln muss. Verschiedene Varianten wären denkbar:
 
 1.)
 
 Leicht hätte es der fränkische Patriot
 mit Stolz im Herzen: Er würde auf die große Vergangenheit der Reichsstädte -
 besonders Nürnberg - hinweisen. Er würde herausarbeiten, dass in der Zeit der
 Industrialisierung die großen Unternehmen in Schweinfurt, die Porzellanfabriken
 in Oberfranken und die Industrie in Nürnberg dem Königreich das
 Bruttoinlandsprodukt erwirtschaftet haben. Er würde nicht vergessen zu
 erwähnen, dass die meisten und besten Sorten bayerischen Bieres fränkische
 Biere sind, vom Wein - den es nun definitiv wirklich nur bei uns gibt -
 schwärmen. Er müsste darauf hinweisen, dass wir den mp-3-Player erfunden haben
 und mit adidas und Puma den Weltmarkt in Sportartikeln ebenso aufrollen wie die
 Nürnberger Marktforschung ganz oben mitspielt.
 
 
 Nur ganz wenigen Eingeweihten würde dann
 auffallen, dass die Sportartikler und die Marktforscher - obgleich Top of the
 World - im Bayerischen Clusterkonzept komischerweise nicht erwähnt werden. Aber
 nur ganz wenigen. Und das ist ja heute auch nicht das Thema. Und die
 marktschreierische Rolle ist die meine nicht. Außerdem überlasse ich das
 Frankenloben heute dem Ministerpräsidenten.
 
 2.)
 
 Genauso leicht hätte es natürlich der
 larmoyant-grantelige Grußwortfranke. Der müsste über die Benachteiligung
 jammern, dies anhand von extrem ungleich verteilten Max-Planck-Instituten oder
 Fraunhofer-Dependencen begründen, auf die im Norden höhere Arbeitslosigkeit
 hinweisen und den oberbayerischen Dialekt- und Trachtenimperialismus geißeln.
 Und ganz ohne Beutekunst könnte das natürlich auch nicht vonstatten gehen -
 dass Dürer-Oríginale in der Albertina hängen, ist für uns weit leichter
 hinzunehmen, als dass sie in München hängen. Das würde dann überleiten zum
 aktuellen Kulturzentralismus, der die Staatsregierung in München ein Museum
 nach dem anderen bauen lässt, aber halt! Das haben wir doch alle schon
 tausendmal gehört, mögen's auch nimmer hören und es ist auch nicht meine Art zu
 jammern. Also: Für heute ungeeignet.
 
 3.)
 
 Dann vielleicht doch eher hintersinnig,
 ein bißchen fränkisch-subversiv. Da müsste man sicher historisch beginnen mit
 der Gattin von Paul Merkel, die, so sagt die Anekdote, 1806 weinend zu ihren
 Kindern gesagt haben soll: "Ihr Armen, nun seid Ihr Fürstenknechte."
 Nachdem es historisch nicht exakt überliefert ist, würde ich annehmen, sie hat
 gesagt: "Allmääächd Kinder, edzerdla seid Ihr Fürstenknechte."
 
 Das gäbe mir die Gelegenheit, auf die
 Begleitausstellung "Paul Wolfgang Merkel. Kaufmann. Reformer.
 Patriot." hinzuweisen, die im Fembohaus stattfindet.
 
 
 Ich könnte dann beziehungsreich darüber
 witzeln, dass die Staatsregierung froh sein müsste, dass ihre Vorläuferkönige
 auf einen obligatorischen Sprachtest bei unserer Integration verzichtet haben -
 sonst wären wir heute noch preußisch. Denn das prälabiale "L", das
 beim Satz "Moo host die Kulln ghulld oder sind die gschdulln?"
 annäherungsweise zu hören ist, dieses prälabiale "L" ist vermutlich
 eine genetische Besonderheit, die auch durch den klaren Vorrang der
 altbayerischen Leitkultur nicht zu beseitigen ist.
 
 
 Dann müsste ich mich - alle Freunde
 dieser Idee mögen mir verzeihen - darüber lustig machen, dass das bayerische
 Parlament in München einen Tag der Franken ausgerufen hat. Einen Tag. Offenbar
 zum Gedenken an eine archaische Kultur, an eine aussterbende Spezies. Der
 Nürnberger Kabarettist Bernd Regenauer hat angemerkt, das sei wie ein Tag der Inuit
 und vorgeschlagen, wir sollten ihn am besten gleich zusammen mit den Eskimos
 feiern.
 
 
 Nein, nein, ich hatte mir vorgenommen,
 heute sehr friedlich zu sein, in der Begrüßung jede Anspielung zu vermeiden, ja
 sogar deutlich zu machen, dass wir alle sehr wohl wüssten, dass wir in einem
 ziemlich guten Bundesland leben, dass für uns jeder Tag ein Tag der Franken
 ist, genauso wie jeder Tag einer der Schwaben oder Altbayern. Ich hätte gesagt,
 dass diese landsmannschaftlichen, sprachlichen und Mentalitätsunterschiede den
 Freistaat bereichern, wollte meinem Eindruck Ausdruck verleihen, dass
 Staatsregierung und Staatsverwaltung längst die physikalische Blickbrechung
 überwunden haben, die in früheren Zeiten die Reichweite der Wahrnehmung von
 München aus nur bis zur Donau begrenzt hatte. Am Ende wollte ich noch etwas
 Lobendes über Dr. Beckstein sagen - oder vielleicht auch nicht, weil dann immer
 alle so aufgeregt sind.
 
 Ich dachte mir, ich lobe in Erwartung
 dicksten Frankenlobs durch Herrn Stoiber brutalstmöglich zurück, gerade ich als
 Frankensozi - das wäre ja in jeder Hinsicht unerhört.
 
 Bestärkt, dass das die richtige Tonlage
 ist, hat mich dann am Freitagmittag ein Fax aus der Staatskanzlei
 (Protokollabteilung) erreicht. Es war ein Textvorschlag für mich, wie ich Herrn
 Ministerpräsident Stoiber mit Gattin heute begrüßen sollte - ein sogenannter
 "Anredevorschlag".
 
 Sehr geehrte Damen und Herren, erkennen
 Sie die Fürsorge, ja geradezu die Zuwendung, die aus diesem Fax spricht? Die
 diese ganze Debatte über die Allmachtsbestrebungen der Staatskanzlei als hohles
 Gerede entlarvt. Es ist nicht Zentralismus, es ist die reine Liebe zu allen
 bayerischen Landesteilen, die die Menschen dort umtreibt. Kaum sind wir 200
 Jahre dabei, schon sagt man uns, wie wir den Ministerpräsidenten anreden
 sollen.
 
 Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, ein
 deutsches Sprichwort sagt: "Einen Franken soll man sich zum Freund, aber
 nicht zum Nachbarn wünschen." Nun - Nachbarn sind wir schon, lassen Sie
 uns an der Freundschaft arbeiten. Die Ausstellung ist ein Beitrag dazu. "
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 Augenzeugenberichten zufolge hätte die Rede Ovationen ausgelöst und MB Edmunds Stoibers Miene sei nicht die fröhlichste gewesen.
 Liebe Grüße
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				Danke, das ist mal wirklich genial!  :lol:
			
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				Dacht ichs mir doch, daß zumindest Du antworten würdest ;)
 Hätts Dir erst fast nur pmt, aber ich dachte mal, helfen wir den Nichtfranken mal, unds zu verstehn...naja, oder so was in der Art zumindest ;)