Autor Thema: Das Netz  (Gelesen 2379 mal)

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Das Netz
« am: 17. Juli 2005, 15:44 »
Computer-Hippies, LSD, das Internet, der Unabomber, die technologische Revolution ... In seinem Film "Das Netz" sucht Lutz Dammbeck Verbindungen zwischen diesen scheinbar so unterschiedlichen "Welten". Dabei ist ihm eine der spannendsten Dokumentationen gelungen, die ich in den letzten Jahren sehen durfte. Sowohl inhaltlich als auch filmisch sehr anspruchsvoll erwartet der Film ziemlich viel vom Betrachter - neben "name-dropping" in hoher Geschwindigkeit befasst er sich mit Soziologie ebenso wie mit Psychologie und Philosophie - Henry David Thoreau wird immer wieder gestreift, der Konstruktivismus spielt eine Rolle, gruppendynamische Phänomene werden erwähnt, kurz, ein breit gefächerter Ausschnitt unseres kulturhistorischen "Erbes" wird tatsächlich zu einem Netz verwoben.

Im Gegensatz zu Michael Moore nimmt Dammbeck dabei tatsächlich eine distanzierte, wertungsfreie Position ein. Die polemischen Kommentare Moores werden durch erschreckend logische und "aufgeräumte" Passagen aus Briefen des über 30fachen Mörders Kazcinzkys (Unabomber) ersetzt. Hier gibt es keine einfache Antwort, wo es ja schon schwierig genug ist, die Frage genau genug zu stellen (und ja, ich halte es nach wie vor für eine brilliant ironische Eingebung Douglas Adams, diesem Sachverhalt in seinem Anhalter eine so zentrale Stellung zu geben ;)).

Welche Bedeutung hat Techik - und die Ablehnung derselben - für den Menschen, wie ändert sie ihn? Welche Beweggründe haben ihre Befürworter, welche ihre Feinde? Das ist eine der zentralen Fragen, die aber nie für sich isoliert betrachtet wird, sondern aus einer Verflechtung von Wissenschaft, Politik und Kunst heraus.

Dabei mag "Das Netz" auf den ersten Blick filmisch unspektakulär wirken. Genauer betrachtet schafft es der Filmemacher jedoch, auf sehr subtile Art und Weise den vermeintlich gordischen Knoten spürbar zu machen, dem er nachspürt. Einen gordischen Knoten, dem die USA einen ihrer berühmtesten Mörder verdanken.

Wer keine Angst davor hat, sich noch längere Zeit mit einem im Film behandelten Thema auseinanderzusetzen, wer sich für Technik im Allgemeinen, das Internet und "Multimedia" im Speziellen, aber eben auch für psychologische, philosophische und soziologische Probleme interessiert sollte versuchen des Filmes habhaft zu werden ;)

Bei uns lief der Streifen leider nur 2 Abende, Freitag und Samstag je um 23 Uhr, und es waren insgesamt 5 1/2 Leute da (einer verliess wohl das Kino). Wie schon gesagt ist der Film meiner Meinung nach recht anspruchsvoll und teilweise auch anstrengend. Das liegt nicht nur an dem teilweise sehr alten Originalmaterial, sondern auch daran, dass man eben irgendwann in einen Strudel, ein Netz hineingezogen wird. Bundesstart hatte "Das Netz" leider schon im Januar. Ob er also in irgendwelchen Programmkinos zu sehen ist weiss ich nicht, die Koproduktion mit arte macht aber eine relativ schnelle Sendung des Films im TV recht wahrscheinlich.

Ich war jedenfalls sehr begeistert. In diesem Zusammenhang möchte ich noch zwei weitere Werke erwähnen - wem die gefallen haben, der sollte den Film wirklich nicht verpassen, wem der Film gefällt könnte auch an diesen beiden Werken Spass haben:

D.R. Hofstadter: Gödel, Escher, Bach

Darren Aranovsky: PI

Danke für die Aufmerksamkeit ;)

:wink:

Over
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Weine, und du weinst allein.


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